(1) Die Forderung aus § 164 Absatz 1 Satz 1 des Telekommunikationsgesetzes nach unentgeltlicher Bereitstellung von Notrufverbindungen schließt ein, dass Notrufe auch ohne Verwendung eines Zahlungsmittels möglich sein müssen; Absatz 8 Nummer 1 bleibt unberührt.
(2) Die an der Herstellung einer Notrufverbindung beteiligten Telefondiensteanbieter und Netzbetreiber haben dafür zu sorgen, dass Notrufverbindungen unverzüglich zur örtlich zuständigen Notrufabfragestelle mit der für den jeweiligen Telefondienst üblichen Sprachqualität hergestellt werden; in Fällen von Telefaxverbindungen tritt an die Stelle der üblichen Sprachqualität die übliche Übertragungsqualität. Der Telefondiensteanbieter, der den unter einer Notrufnummer geäußerten Verbindungswunsch eines Nutzers entgegennimmt, hat der Verbindung die nach § 3 Absatz 2 festgelegte Notrufcodierung der örtlich zuständigen Notrufabfragestelle zuzuordnen. Maßgeblich für die Ermittlung der örtlich zuständigen Notrufabfragestelle ist der vom Telekommunikationsnetz festgestellte Standort des Endgerätes, von dem die Notrufverbindung ausgeht (Ursprung der Notrufverbindung); dabei sind die nach § 3 festgelegten Notrufursprungsbereiche zu beachten. In Fällen, in denen sich Telefondiensteanbieter und Netzbetreiber unterscheiden, hat der Telefondiensteanbieter bei den beteiligten Zugangsanbietern oder Netzbetreibern auf technischem Weg unverzüglich Informationen über diesen Standort anzufordern; die technischen Schnittstellen, über die diese Informationen angefordert werden, sind durch angemessene Maßnahmen gegen Missbrauch zu sichern. Auf dieser Grundlage ist
1.
die zuständige Notrufabfragestelle zu ermitteln und
2.
die Notrufverbindung unverzüglich herzustellen.
Vorgaben zur Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Standortfeststellung werden in der Technischen Richtlinie nach § 6 unter Berücksichtigung technologischer Gegebenheiten und des Stands der Technik festgelegt.
(3) Die an der Herstellung einer Notrufverbindung beteiligten Telefondiensteanbieter und Netzbetreiber haben Notrufverbindungen im Rahmen der technischen Möglichkeiten jederzeit und unabhängig davon herzustellen, in welchem Netz oder bei welchem Telefondiensteanbieter die Notrufverbindungen ihren Ursprung haben. Dies gilt auch, wenn der Telefondienst auf Grund von Zahlungsverzug gesperrt ist oder wenn bei vorbezahlten Diensten kein Guthaben mehr zur Verfügung steht, nicht jedoch nach endgültiger Aufhebung des Anschlusses oder des Zugangs zum Telefondienst. Betriebsbedingte vorhersehbare Unterbrechungen der Notrufmöglichkeiten sind auf das unvermeidbare Maß zu beschränken und dürfen nur nach rechtzeitiger Information der Bevölkerung durchgeführt werden.
(4) Der Telefondiensteanbieter, der den unter einer Notrufnummer geäußerten Verbindungswunsch eines Nutzers entgegennimmt, hat der Notrufabfragestelle als Teil der Notrufverbindung zu übermitteln:
1.
die Rufnummer des Anschlusses, von dem die Notrufverbindung ausgeht, auch wenn die Anzeige der Rufnummer im Einzelfall oder dauernd ausgeschlossen ist (§ 15 Absatz 1 Satz 3 des Telekommunikation-Digitale-Dienste-Datenschutz-Gesetzes),
2.
Angaben zum Standort des Endgerätes, von dem die Notrufverbindung ausgeht, auch wenn die Übermittlung von Angaben zum Standort im Einzelfall oder dauernd ausgeschlossen ist (§ 13 Absatz 3 des Telekommunikation-Digitale-Dienste-Datenschutz-Gesetzes), und
3.
seine Anbieterkennung.
Die übrigen an der Notrufverbindung beteiligten Diensteanbieter haben dafür zu sorgen, dass diese Daten an die Notrufabfragestelle übermittelt werden. Die technischen Verfahren für die Übermittlung dieser Daten werden in der Technischen Richtlinie nach § 6 festgelegt.
(5) Der Telefondiensteanbieter, in dessen Bereich die Notrufverbindung ihren Ursprung hat, hat sicherzustellen, dass die Wahl der Ziffernfolge „110“ oder „112“, der andere Ziffern vorangehen, nicht zu einer Verbindung zu einer Notrufabfragestelle führt. Dies gilt nicht für das Voranstellen von Kennzahlen zur Betreiberauswahl. Eine Notrufverbindung ist ungeachtet der Notrufnummer folgender Ziffern unverzüglich zu der zuständigen Notrufabfragestelle herzustellen. Die an der Herstellung einer Notrufverbindung beteiligten Telefondiensteanbieter und Netzbetreiber haben sicherzustellen, dass Notrufverbindungen mit einem vom Netz festgestellten Ursprung im Ausland nicht zu Notrufanschlüssen im Inland hergestellt oder weitergeleitet werden.
(6) Das automatische Herstellen einer Notrufverbindung ohne unmittelbares Tätigwerden eines Menschen ist nicht zulässig.
(7) In Fällen, in denen das für die Notrufverbindung genutzte Endgerät über Informationen über seinen Standort verfügt, dürfen diese Informationen nach festgelegten Verfahren automatisch an die Notrufabfragestelle gesendet werden.
(8) Für Notrufverbindungen aus Mobilfunknetzen gilt ergänzend:
1.
Notrufverbindungen von Mobiltelefonen ohne Mobilfunkkarte sind nicht zulässig.
2.
Jeder Mobilfunknetzbetreiber hat im Rahmen von Nummer 1 sicherzustellen, dass auch für Endnutzer anderer Mobilfunknetze Notrufverbindungen unter der europaeinheitlichen Notrufnummer 112 von jedem in seinem Netz technisch verwendbaren Mobiltelefon möglich sind. Dies gilt nicht, wenn die Mobilfunkkarte beim Einbuchungsversuch als ungültig bewertet wird. Die Verpflichtung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 besteht für einen Mobilfunknetzbetreiber nur, wenn die Mobilfunkkarte in seinem Netz eingebucht ist.
3.
Für die Bestimmung der örtlich zuständigen Notrufabfragestelle im Sinne des Absatzes 2 Satz 3 ist der vom Mobilfunknetz festgestellte Ursprung der Notrufverbindung bei Verbindungsbeginn maßgebend. In Fällen, für die die BNetzA keine Vorgaben zur Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Standortfeststellung nach Absatz 2 Satz 6 festgelegt hat, ist der Ursprung der Notrufverbindung mit mindestens der Genauigkeit zu ermitteln, die dem Stand der Technik kommerziell genutzter Lokalisierungsdienste entspricht. Solange es dem Stand der Technik entspricht, hat der Mobilfunknetzbetreiber zumindest die Funkzelle zugrunde zu legen. In den Fällen des Satzes 3 hat der Mobilfunknetzbetreiber als Standortangabe die Bezeichnung der Funkzelle in Form der weltweit eindeutigen Angabe entsprechend dem Stand der Technik anzugeben. Zu den Angaben nach Satz 4 hat der Mobilfunknetzbetreiber den Notrufabfragestellen aktuelle Informationen zu übermitteln, die für die Umsetzung der Bezeichnung der Funkzelle in kartografische Angaben über ihre planmäßige Lage und Ausdehnung erforderlich sind. Der Mobilfunknetzbetreiber kann diese Informationen den Notrufabfragestellen abweichend von Satz 5 auch zum Abruf auf elektronischem Weg bereitstellen.
4.
Es ist zulässig, dass Notrufverbindungen unter der Notrufnummer 110 oder Notrufverbindungen, bei denen der Notrufnummer 112 zusätzliche Ziffern folgen (Absatz 5 Satz 3), auf dem Verbindungsabschnitt zwischen dem Mobilfunkendgerät und dem Mobilfunksender als nicht vorrangige Verbindungen und nur für im Mobilfunknetz eingebuchte Teilnehmer realisiert werden.
5.
Abweichend von Absatz 6 ist das automatische Herstellen einer Notrufverbindung auch ohne unmittelbares Tätigwerden eines Menschen mittels dafür vorgesehener, in Kraftfahrzeugen installierter Einrichtungen für E-Call zulässig. Dies gilt auch für das automatische Herstellen von Notrufverbindungen unter der Notrufnummer 112, wenn in Kraftfahrzeugen installierte Einrichtungen, die für das Erkennen einer Unfallsituation vorgesehen sind, für das Herstellen der Notrufverbindung ein im Fahrzeug mitgeführtes Mobiltelefon nutzen und zu Beginn der Notrufverbindung die Koordinaten des Standortes des Fahrzeugs als Ansage in deutscher Sprache übermitteln können.
6.
Verbindungswünsche für Notrufverbindungen, bei denen das Endgerät einen Notdienstkategoriewert an das Mobilfunknetz übermittelt, sind wie folgt zu behandeln:
a)
bei Angabe des Notdienstkategoriewertes 1: Herstellen einer Notrufverbindung zu den für die Notrufnummer 110 festgelegten Zielen;
b)
bei Angabe der Notdienstkategoriewerte 2 bis 7: Herstellen einer Notrufverbindung zu den für die Notrufnummer 112 festgelegten Zielen.
Zusätzlich ist im Falle der Angabe des Notdienstkategoriewertes 6 die Information „manuell ausgelöster E-Call“, im Falle der Angabe des Notdienstkategoriewertes 7 die Information „automatisch ausgelöster E-Call“ zeitgleich mit der Herstellung der Notrufverbindung an die jeweilige Notrufabfragestelle zu übermitteln.
Erläutert
Die Verordnung über Notrufverbindungen (NotrufV) regelt die Bereitstellung und Durchführung von Notrufverbindungen durch Telefondiensteanbieter und Netzbetreiber. Sie legt fest, wie Notrufe technisch realisiert werden müssen, um eine schnelle und zuverlässige Verbindung zu den zuständigen Notrufstellen sicherzustellen. Hier eine Zusammenfassung der wesentlichen Inhalte:
- Unentgeltlichkeit von Notrufen: Notrufe müssen für die Nutzer kostenlos sein und auch ohne Zahlungsmittel, wie z.B. Prepaid-Guthaben, getätigt werden können.
- Verbindung zur zuständigen Notrufstelle: Anbieter müssen sicherstellen, dass Notrufe unverzüglich und mit der üblichen Sprachqualität an die örtlich zuständige Notrufstelle weitergeleitet werden. Die Bestimmung der zuständigen Stelle erfolgt anhand des Standorts des Geräts, von dem der Notruf ausgeht.
- Herstellung von Notrufverbindungen: Notrufverbindungen sind unabhängig vom Telefondienstanbieter oder dem verwendeten Netz jederzeit zu ermöglichen. Auch bei Zahlungsausfällen oder gesperrten Diensten müssen Notrufe möglich bleiben, es sei denn, der Zugang wurde endgültig gekündigt.
- Übermittlung von Standort und Rufnummer: Bei einem Notruf muss die Rufnummer des Anrufers und der Standort des Geräts an die Notrufstelle übermittelt werden, auch wenn der Nutzer die Anzeige dieser Daten normalerweise unterdrückt.
- Regeln für Notrufnummern: Notrufe mit der Ziffernfolge 110 oder 112 dürfen nur direkt zur Notrufstelle geleitet werden, auch wenn vorhergehende Ziffern gewählt werden. Ausländische Notrufe dürfen nicht zu inländischen Notrufstellen weitergeleitet werden.
- Automatische Notrufe: Notrufe dürfen nicht automatisch, ohne aktives Eingreifen einer Person, ausgelöst werden, es sei denn, es handelt sich um Systeme wie den E-Call in Fahrzeugen, die bei einem Unfall automatisch einen Notruf absetzen.
- Standortdaten bei Mobilfunknotrufen: Für Mobilfunknotrufe wird der Standort anhand der Funkzelle ermittelt, in der das Gerät eingebucht ist. Diese Standortdaten werden den Notrufstellen zur Verfügung gestellt, um eine genaue Lokalisierung zu ermöglichen.
- Besondere Regeln für Mobilfunknetze: Notrufe von Mobiltelefonen ohne SIM-Karte sind nicht erlaubt. Mobilfunkanbieter müssen jedoch sicherstellen, dass Notrufe von allen gültigen SIM-Karten im Netz möglich sind, auch wenn diese aus einem anderen Netz stammen.
- Vorrangigkeit von Notrufen: In Mobilfunknetzen müssen Notrufe unter den Nummern 110 oder 112 Vorrang haben, wobei spezielle technische Regelungen wie E-Call für Fahrzeuge berücksichtigt werden.
Insgesamt regelt die Verordnung die technischen und rechtlichen Anforderungen, um eine schnelle und verlässliche Notrufkommunikation zu gewährleisten, unabhängig vom Netz, Anbieter oder Zahlungssituation.